(erschienen am 14.04.2015 in der Badischen Zeitung)
Tiefe Einblicke und solide Karossen
Pin-Up-Girls liefern sich bei der Rock ’n’ Roll und Boogie Night einen Wettbewerb und sind die Attraktion der Innenstadt.
Das Interesse der Rheinfelder gilt am Samstagnachmittag im Stadtzentrum primär dem Oldie-Bus, der auf dem Friedrichplatz geparkt ist. Mit fachmännischer Miene werden die großen Reifen begutachtet, ein Blick unter die Motorhaube geworfen und auf die solide Karosserie geklopft. Der Fokus, besonders der der Männer, ändert sich aber schlagartig, als fünf Frauen in Petticoats auftauchen, zielstrebig auf den Bus zulaufen.
Der Auftritt der Frauen ist Teil der zweiten Rock'n'Roll und Boogie Night, die Helmut Rieger organisiert. Passend zur Zeit der 50er und 60er, die er mit diesem Abend wieder aufleben lassen will, hat er einen Pin-Up-Contest organisiert, also einen Wettbewerb, bei dem das schönste oder passendste Pin-Up-Girl gewählt wird. Diese Kunstform, bei der oftmals leicht bekleidete Frauen als Poster in die Spinde von Soldaten geklebt wurden, wird schon seit Jahrzehnten genutzt. Auch Norma Jean Baker, besser bekannt als Marilyn Monroe, startete ihre Karriere als Pin-Up-Girl.
Warum die fünf Frauen, alle keine Neulinge in der Boogie-Woogie-Szene, lieber nur mit ihrem Künstlernamen genannt werden möchten, wird schnell deutlich, als das Fotoshooting beginnt. Während Fotografin Diana Saranora Schmidt die Pose für Skully Diamond (30) erklärt – lasziv räkelnd auf dem Kotflügel – zücken die ersten Passanten ihre Smartphones, die wenigsten sind auf die Gesichter der Frauen gerichtet. Neckisch zeigt Skully Diamond viel Bein, das Kleid rutscht hoch und gewährt – aus der falschen Perspektive – ungewollt tiefe Einblicke.
"Wir haben viele Fans", erklärt Cherry-L (29). Die Dualität aus sexy Kleidung, die aber nicht anrüchig ist, wecke Männerfantasien. Die Gründe für ihre Teilnahme beim Shooting ähneln sich bei allen Fünfen: Musik, Autos und die Kleidung. "Die Kleider passen zu jeder Figur", schwärmt etwa Lara Leo (27), die mit der Strategie "lächeln und winken" den Wettbewerb gewinnen will. Beides zeigt sie im Oldie Bus für die Fotografin.
Mit rot lackierten Nägeln, passend zum Lippenstift, versucht Miss-Jean (31) derweil auf dem Fahrersitz schöne Fotos für sich zu bekommen. Vom unschuldigen Schmollmund wechselt sie mühelos in eine laszive Pose, schaut verführerisch in die Kamera. Der Lebens- und Kleidungsstil der 50er ist für sie nicht nur ein Hobby. "Meine Schüler kennen mich gar nicht anders", erzählt die Lehrerin lachend. Stutenbissigkeit sucht man während des Shootings – trotz Wettbewerb – vergebens. "Es soll einfach Spaß machen", ist Mariposchs (21) Erklärung dafür. Die Pin-Up-Girls kennen und schätzen sich, Zickereien sind da unnötig. Im Gegenteil. Sorgsam zupfen sie sich gegenseitig ihre Kleider zurecht.
Das Posen selbst genügt aber nicht. Im "Danner" zeigen sie am späten Abend, welche Talente noch in ihnen schlummern: Natürlich darf der Klassiker, eine Interpretation von Marilyn Monroes "I Wanna Be Loved by You", nicht fehlen. Auch "These Boots are made for walking" wird vorgetragen, aber auch Jodeln, Trompete spielen und die Kunst der Verführung – am lebenden Mann – werden gezeigt. Die Zuschauerwertung, ermittelt durch Applaus, kürt aber schließlich Denise für ihre spontane Interpretation von "Son of a Preacherman" zur Siegerin.